von der Autonomen Antifa Innsbruck
Eine kritische Analyse des Tiroler Landesfestumzugs
„Tirol isch lei oans“, „70 000 Zuschauer brachen in Begeisterungsstürme aus“, „Traditionsmarsch in Tirols Zukunft“, das sind nur einige der Schlagzeilen der lokalen Presse anlässlich des Landesfestumzugs am vergangenen Sonntag, den 20.09. 2009, der im übrigen bundesweit vom ORF in einem vierstündigen Livemarathon gesendet wurde. Angesichts einer solch einseitigen Berichterstattung stellt sich für uns die Frage, ob diese Massenveranstaltung tatsächlich eine solche Begeisterung verdient.
Dazu Evelyn Roth: „Der Umzug bot rechten bis rechtsextremen Gruppen und Personen eine bürgerlich-politisch legitimierte Bühne vor nicht weniger als 70.000 Zuschauer_innen. Noch vor einem halben Jahr bemühte sich die Landesregierung um Abgrenzung vom rechtsextremen Burschenschafterkommers, und nun wird den gleichen und weiteren einschlägigen Gruppierungen öffentlich zugejubelt – eine scheinheilige Doppelmoral!“
Letztere lässt sich insbesondere an der Diskrepanz zwischen der offiziell vertretenen Position der Organisator_innen und den tatsächlich transportierten Inhalten und Symbolen während des Umzugs aufzeigen: So lautete etwa der Slogan des vom Kulturreferat des Landes Tirol getragenen und pompös vermarkteten Gedenkjahres „Geschichte trifft Zukunft“.
Am Tag des Festumzugs selbst wurde die Geschichtsauffassung der Landesregierung klar zur Schau gestellt. Einige Aspekte sollen im Folgenden beleuchtet werden:
Die „Rosenkrone“
Schon das zentrale Element, die „Rosenkrone“, ist lediglich die optische Umgestaltung eines ewiggestrigen Relikts, nämlich der bei den letzten Umzügen 1959 und 1984 mitgetragenen Dornenkrone; diese stand ursprünglich für das Leid der unterdrückten Minderheiten in Alto Adige, . wurde jedoch im Laufe der vergangenen Jahrzehnte von der extrem Rechten instrumentalisiert. Diesen bitteren Beigeschmack können auch tausend Rosen nicht versüßen.
Transparente
Auch die von verschiedenen Teilnehmer_innen mitgetragenen Transparente und Schilder sprachen größtenteils eine ähnliche Sprache: „Los von Rom“, „Südtirol ist nicht Italien“ und „Freiheit für Südtirol“ reihten sich ein in einen endlosen Kanon nationalchauvinistischer Botschaften. Diese entstammen, gleich wie die Dornenkrone, einer Zeit vor der Autonomie Alto Adiges/Südtirols und dienen heute einer ausschließlich völkischen Argumentation. Jahre nach Inkrafttreten des Autonomiestatuts sind obenstehende Parolen nur noch nationalistisch lesbar.
Damit hatten die „offiziellen“ Plakate eine erschreckende Ähnlichkeit mit dem von Rechtsextremen am Rande des Umzugs verteilten Propagandamaterial. U.a. wurden von der neonazistischen Plattform „Alpen-Donau.Info“ und der Burschenschaft Brixia sowie der „Südtiroler Freiheit“ entsprechende Flugblätter in Umlauf gebracht und ein einschlägiges Transparent stand medienwirksam positioniert vor dem „Goldenen Dachl“.
Teilnehmer_innen
Die Teilnehmer_innen dieser Großveranstaltung entstammten diversen Traditionsverbänden, von Musikkapellen und Schützenkompanien über Bundesheer- und Bundeswehrverbände und Monarchist_innen bis hin zu rechtsextremen Gruppen und Wehrmachtskameradschaften. Davon sind einige besonders zu erwähnen:
Die „wehrhaften Korporationen“ stellten einen eigenen Block unabhängig von anderen studentischen Verbindungen. Mit dabei waren die Burschenschaften Brixia und Suevia, die Sängerschaft Skalden, die Landsmannschaft Tyrol und die Verbindungen Athesia und Gothia – alte Bekannte vom Festkommers im Juni 2009 (Details zu den Burschenschaften siehe –INFORMATION–)
Der RFJ Tirol mit etwa 100 Teilnehmer_innen stellte den Schlussblock, in dem lautstark „Los von Rom“ skandiert wurde (Details zum RFJ Tirol siehe –INFORMATION–).
Die „Kameradschaft der ehemaligen Südtirolkämpfer“ stellte einen weiteren traurigen Höhepunkt im Programm dar – bejubelt von Publikum und Ehrentribühne zogen u.a. der wegen vierfachen Mordes in Abwesenheit verurteilte Erhard Hartung und weitere Südtirolterrorist_innen durch Innsbrucks Straßen und trugen ein Transparent mit der Aufschrift „Trotz Autonomie die Heimat in Gefahr – Selbstbestimmung für Südtirol“ und der Forderung nach Amnestie.
Unter den Kameradschaften, die mitmarschierten, befanden sich etliche, die eine Verbindung von ehemaligen Wehrmachtssoldaten über den zweiten Weltkrieg hinaus darstellen und die sich auch in ihren Ehrenabzeichen positiv auf diesen Krieg beziehen.
Neben den Teilnehmer_innen waren auch illustre Gäste von rechts außen anwesend: FPÖ Obmann Heinz -Christian Strache, der dritte Nationalratspräsident Martin Graf und die Vorsitzende der Südtiroler Freiheit Eva Klotz.
Aus diesen und weiteren Faktoren ergibt sich ein vorläufiges Gesamtbild:
Ein martialisch anmutender traditionalistischer, sexistischer, ultrakonservativer bis rechtsextremer, erzkatholischer Mob zieht mit Dreschflegeln, Sensen, Keulen, Degen und Gewehren bewaffnet, von Marschmusik begleitet, teils betrunken durch die Stadt und wird von einer bierseligen Menge unreflektiert bejubelt.
Der gesamte Umzug reproduzierte ein geschlechtsdualistisches heterosexistisches Gesellschaftsbild, in welchem Frauen bestenfalls zu mobilen Schnapsversorgerinnen für ihre Waffen tragenden Männer degradiert oder als funktionierender Teil der propagierten biologischen Kernfamilie dargestellt werden.
Eine solche Veranstaltung kann keineswegs als modern betrachtet werden. Vielmehr stellt sie einen ewiggestrigen Anachronismus dar, der noch dazu von der Politik gefördert und mit zwei Millionen Euro finanziert wird – sämtliche vorhergehenden Distanzierungsversuche wurden schlicht in den Wind geschlagen. Die Symbolik des Umzugs als solche ist nicht dezidiert rechtsextrem, aber eine definitive Öffnung in diese Richtung kann attestiert werden.
Evelyn Roth meint abschließend: „Innsbruck wurde für drei Tage nationalistischem, traditionalistischem Gedankengut überlassen, während emanzipatorische Ideen höchstens in kleinen Protestaktionen Ausdruck finden konnten. Wir haben Angst vor einer Zukunft, die eine solche Geschichte treffen will!“ Fotos coming soon!